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Daniel Enz

Der Sansibar-Effekt

Wie Sie öfter als Gewinner aus Verhandlung gehen.

Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie liegen am Strand und der Schweiss läuft nur noch so runter. Trockene Kehle, Durst ohne Ende. Die Strandbar ist 100 Meter von Ihrer Liege entfernt, doch der Sand ist zu heiss und Sie sind schlicht und einfach zu faul. Jetzt kommt’s: «Schatzi? Würdest Du mir bitte ein Wasser an der Strandbar holen, das wäre sehr lieb von dir?» sagen sie zu Ihrer 12-jährigen Tochter, die gerade aufs Meer schaut. «Neee.. ich mag nicht. Geh doch selber holen!» so die schnippische Antwort. Sie schleppen sich also selbst zur Bar… und denken sich vielleicht: «undankbare, kleine Hexe!»

Schauen wir uns diese Situation einmal im Detail an. Geschickte Verhandlungskünstler wären hier anders vorgegangen…

Aus der Verhaltenspsychologie wissen wir, dass es Menschen schwerfällt, mehrere Ablehnungen hintereinander auszusprechen. Sie kennen das vermutlich selbst: Wenn ein Verkäufer Ihnen mit dem Preis entgegenkommt, dann fällt es manchem schwer nochmal ‘nein’ zu sagen. Das perfide dabei: Es braucht nicht einmal einen Verkäufer dazu. Es reichen lediglich Preisschilder. Wenn Sie an einem Eingang eines Elektronikgeschäfts z.B. 2 Fernseher sehen, der erste ungemein teuer, der zweite deutlich günstiger, dann schaltet das Durchschnittshirn auf ‘Schnäppchen-Modus’. Jetzt werden Endorphine ausgeschüttet und das Belohnungssystem im Hirn aktiviert. Im Kernspintomographen (MRT) beginnt das Belohnungsnetzwerk im Hirn der Testpersonen zu leuchten, sobald sie Bilder von Sonderangeboten sehen.

Zurück zum Strand

Die Fakten:

  • Ich hatte Durst und war zu faul, um Wasser zu holen.
  • Meine Tochter ebenso
  • Die Bar war 100 Meter entfernt.
  • Die Hormone: Unser Hirn will belohnt werden mit einem besseren Deal.

Diese Strandsituation ist mir letztes Jahr nämlich tatsächlich in Sansibar so passiert. Nur habe ich mein Wissen über Verhandlungen getestet und zwar so:

«Schatzi? Würdest Du mir bitte ein Wasser in unserem Bungalow holen, das wäre sehr lieb von dir?»
«Neee… ich mag nicht. Geh doch selber holen!»
«Du hast recht. Das sind schliesslich fast 300 Meter, versteh ich. Aber weisst Du was? Würdest Du mir wenigstens ein Wasser von der Strandbar direkt hier nebenan holen, das sind höchstens 100 Meter? Und nimmt doch gleich ein kaltes Glas für Dich selbst, ich bin sicher Du hast auch Durst. Danke Dir viel Mal.»
«Okay, dann halt. Mit oder ohne Eis?»

Warum hat meine Tochter also mein Wasser geholt? Ganz einfach, weil der 2. Deal der deutlich bessere Deal war und sie mir zuvor schon eine Absage erteilt hatte. Da der 2. Anlauf in ihrem Hirn wie eine Sonderangebotstafel geleuchtet hat, konnte sie fast nicht anders.
Dr. Rorbert B. Cialdini spricht in seinem Buch ‘Die Psychologie des Überzeugens’ von der ‘Neuverhandeln-nach-Ablehnung-Taktik’. Ein naher Verwandter des bekannten Kontrast-Effekts. Einfach gesagt, lässt sich der Sansibar-Effekt wie folgt zusammenfassen: Sie fordern im ersten Schritt mehr als Sie wollen, um die Chancen im zweiten Schritt zu erhöhen.

Zentral dabei sind folgende 3 Punkte:

  • Die 2. Forderung (Ihr ursprüngliches Ziel) muss einen deutlichen Vorteil gegenüber der ersten Forderung darstellen. Wenn das Bungalow also auch 100 Meter von Ihrer Liege entfernt wäre, dann gäbe es keinen wesentlichen Vorteil. Dann hätten Sie wohl eher die weiter entfernte Réception nehmen müssen oder eine Kiste Wasser im Vergleich zu einer Flasche. Dennoch muss auch Forderung 1 realistisch bleiben.
  • Nach der ersten (kalkulierten) Ablehnung ist es entscheidend, dass Sie Verständnis dafür zeigen. «Ich sehe, spüre, höre, fühle, verstehe, kann gut nachvollziehen, dass…» gefolgt vom Motiv der Ablehnung (hier: zu weit, 300 Meter) und einem möglichen weiteren Vorteil für Ihr Gegenüber (hier: ein eigenes kaltes Glas Wasser, wobei das Zauberwort ‘kalt’ ist)
  • Der Ritterschlag ist ein herzliches ‘Danke’ am Schluss. Hier ist es entscheidend, dass Sie es auch so meinen und nicht einfach so sagen. Der Ton macht die Musik. Hier bedienen wir uns dem Reziprozitätsprinzip. Wir schenken zuerst, danach bekommen wir.

Das nächste Mal, wenn Sie also vor einer Verhandlung stehen, überlegen Sie sich folgendes:

  • Was ist meine Forderung?
  • Welche realistische Forderung könnte ich vorab stellen, die mit grosser Wahrscheinlichkeit abgelehnt wird?
  • Wie formuliere ich diese Ablehnung und zeige Verständnis?
  • Welchen Zusatzvorteil für meinen Verhandlungspartner könnte ich on-top erwähnen?
  • Wie bedanke ich mich dafür?

Testen Sie den Sansibar-Effekt zuerst im privaten Umfeld. Zuerst viel, dann wenig.

Ideen:
Beim Licht löschen, beim Müll entsorgen, beim Einkaufen, beim Film schauen, beim Wunsch-Date, beim Putzen, etc.

So verhandelt meine älteste Tochter ständig mit mir über irgendwelche Dinge. Letzte Woche:
«Papa, darf ich heute bis Mitternacht wegbleiben?»
«Wassss???!! Vergiss es. 23 Uhr!»
«Okay, verstehe ich. Das ist wirklich etwas lange für mein Alter. Darf ich aber wenigstens bis 23:30 Uhr bleiben, dafür musst Du mich nicht abholen, ich werde nach Hause gefahren. Dankeee. Hab Dich lieb!»

Sie wissen, wie’s weiterging…

Das funktioniert natürlich auch im Business-Kontext. Falls es auf anhiebt nicht klappt, lassen Sie sich nicht entmutigen. Professionelle Verhandlungskünstler haben nämlich schon den nächsten Zug im Köcher.

Na – neugierig?

Falls Sie und Ihre Verkäufer/innen Unterstützung brauchen, melden Sie sich bei uns. Jetzt anfragen.

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